„Man who fights with woman all day gets no piece at night.“

Die in Japan äußerst erfolgreiche Dragon-Quest-Serie fristete im Westen immer ein Nischendasein: Während Europa ganz unbeachtet blieb, erschienen gerade einmal die ersten vier Episoden als „Dragon Warrior“ für das amerikanische NES, und konnten dort aufgrund der langen Übersetzungszeiten nur geringe Erfolge erzielen und kontinuierlich fallende Verkaufszahlen verbuchen. Mit ein Grund, warum die amerikanische Niederlassung von Enix geschlossen werden musste und somit ein halbwegs fertiges Dragon Warrior V und der darauffolgende sechste Teil nie Japan verlassen haben.

Mit Dragon Warrior VII erschien dann nach einer zehnjährigen westlichen Abstinenz wieder eine neue Episode der Rollenspielreihe in Amerika, und sorgte – wenn schon nicht für berauschende Verkaufszahlen (abgesehen von den unglaublichen 4 Millionen Exemplaren in Japan) – wenigstens für schlaflose Nächte vorm Fernseher.

Eine Veröffentlichung in Europa hat es nie gegeben, jedoch erschien im September 2016 weltweit das langersehnte Remake für Nintendo 3DS. Dragon Quest VII: Fragmente der Vergangenheit überzeugte mit frisch aufpolierter Grafik, einer kompletten Neuübersetzung, einer Vielzahl großzügiger Gameplay-Verbesserungen sowie einigen exklusiven Online-Features.


Story

Die Geschichte des siebten Teils beginnt für ein Rollenspiel eher ungewöhnlich: Es ist alles in Ordnung! Es gibt keine Gefahren, keine Monster, und die ganze Welt ist friedlich. Das ist auch so gesehen kein Problem, denn die ganze Welt besteht aus einer kleinen Insel mit einem Dorf, einer Stadt, einem alten Kauz, der mit Tieren spricht, und mysteriösen alten Ruinen, die einer jungen Heldentruppe ganz schön zum Verhängnis werden.

Der Spieler schlüpft in die Rolle des namenlosen Helden, der mit seinen Freunden – dem Prinzen Kiefer und Maribel, der Tochter eines reichen Fischers – bei einer seiner täglichen Erkundungstouren der erwähnten Ruinen eine unglaubliche Entdeckung macht: Es gibt noch mehr auf dieser Welt!

Vor unzähligen Jahren hat der Demon Lord Orgodemir sämtliche Regionen und Inseln dem Untergang geweiht und sie von der Außenwelt abgeschottet. Mit Hilfe von Zeitportalen, die sich durch bestimmte Tonscherben aktivieren lassen, reist die Heldentruppe in bester Chrono-Trigger-Manier (sogar die Zeitreiseanimation ist dieselbe) in die Vergangenheit, um den dort auferlegten Flüchen des Demon Lord ein Ende zu bereiten, und die Welt wieder so herzustellen, wie sie einst war.


Grafik

Auf der technischen Seite ist Dragon Warrior VII eine konsequente Weiterentwicklung des Vorgängers. Unglücklicherweise sind zwischen den beiden Episoden gut fünf Jahre und beinahe eine ganze Konsolengeneration dazwischen – dementsprechend altbacken wirkt das Ganze.

Städte und Dungeons werden in einer Xenogears-ähnlichen Perspektive präsentiert: Animierte Bitmap-Sprites bewegen sich in manchmal mehr, manchmal weniger frei rotierbaren Polygonwelten. Während die Dungeons vor allem in späteren Abschnitten durchaus als ansehnlich durchgehen (es kann natürlich auch sein, dass man sich nach zig Stunden Spielzeit einfach daran gewöhnt hat), können die Charaktersprites überhaupt nicht überzeugen.

Das Einzige, was es zu sehen gibt, sind ein paar Bewegungsanimations-Schritte für acht Richtungen, die bei falschen Betrachtungswinkeln oft sehr unpassend und wie Fremdkörper wirken. Ebenso unverständlich ist das Beibehalten der „Gehen-beim-Stehen“-Animationen: Charaktere bewegen sich immer. Sollte diese Animation einmal unterbrochen sein, merkt der Spieler nur, dass ein Dialog stattfindet.

Emotionen werden, wenn überhaupt, durch schnelles Hin-und-herwedeln des Sprites (steht für Aufregung) oder eines aufblinkenden Rufzeichens dargestellt. Ebenso veraltet ist die Weltkartengrafik, die eine simple 2D-Landschaft – ähnlich wie in manchen SNES-Spielen – darstellt, auf der sich die gleichen Charaktersprites bewegen.

Als I-Tüpfelchen der schlechten Grafik reihen sich die FMVs ein, die im Spielverlauf zum Glück eher weniger häufig vorkommen, und welche nur miese Computeranimationen zeigen, die man schon zu Final-Fantasy-VII-Zeiten weitaus besser gesehen hat.

Besser gelungen sind hingegen die Kampfbildschirme, die in First-Person-Sicht liebevoll animierte 2D-Monster auf hübsch gestalteten Hintergründen zeigen, und sogar ziemlich effektvoll sein können.


Job-System

Der große Vorteil, der hinter der eher kargen Präsentation steckt, ist der Wegfall von Ladezeiten. Alles spielt sich flüssig und ohne Unterbrechungen. Kämpfe beginnen schnell und enden wieder schnell, was angesichts der hohen Encounter-Rate auch dringend notwendig ist. Denn gekämpft wird in Dragon Warrior VII viel, und auch mit Leidenschaft. Grund dafür ist das komplexe und vielschichtige Job-System, welches nach einem Comeback im sechsten Teil noch einmal eine gehörige Aktualisierung erfahren hat.

Nach gut 15 bis 20 Stunden Spielzeit wird der „Shrine of Dharma“ freigeschaltet – ein Ort, an dem Eure Charaktere eine von verschiedenen Klassen annehmend und beliebig ändern können. Durch eine Reihe von Kämpfen steigt man in seiner gewählten Klasse auf und lernt zum Job passende Fähigkeiten und Zaubersprüche, bis man sie schlussendlich auf Stufe 8 „gemastert“ hat.

Hat man gewisse Klassen gemeistert, lassen sich so die fortgeschrittenen Jobs freischalten, mit denen sich wiederum die Oberliga der Klassen freischalten lässt, darunter auch die ultimative Heldenklasse. Dieses System erlaubt eine sehr freie Gestaltung der Charaktere mit einer ungeheuren Kombinationsvielfalt. Mit dem Sammeln gewisser Monsterherzen können neben den Basisjobs auch Monsterklassen freigeschaltet werden, mit denen die Anzahl an zu meisternden Jobs auf über 50 anwächst.


Kampfsystem

Die nötigen Zufallskämpfe werden wie erwähnt in der ersten Person und rundenbasiert ausgetragen. Auch wenn das System so als das klassischste aller RPG-Kampfsystem gelten mag, so haben die Entwickler es wirklich perfekt ausbalanciert.

Jedes Monster hat bestimmte Stärken und Schwächen, und eine Reihe von Fähigkeiten, die der Spieler durch das Job-System ebenfalls erlernen kann. So gesehen kochen die Monster auch nur mit Wasser, und können Euch mit Euren eigenen Waffen schlagen. Allerdings sind die Gegner so auch auf besondere Skills eher anfällig. So gibt es Bosse, die sich durch einen einfachen Giftatem in ein paar Runden erledigen lassen, die allerdings ohne diesen Skill ganz schön zähe Brocken sind.

Übrigens ist der Schwierigkeitsgrad dabei ziemlich hoch! Nicht nur die Bosse haben es in sich, sondern auch die normalen Gegner, die man so auf seinen Reisen trifft. Ohne längere Level-Runden wird man oft nicht weiter kommen.


Sidequests und Bonusinhalte

Zusätzlich bietet Dragon Warrior VII noch eine Vielzahl an Minispielen und Sidequests: Allen voran das bekannte und beliebte Casino. Neben einarmigen Banditen und Pokertischen kann man diesmal auch am „Lucky Panel“ um seltene Items spielen.

Des Weiteren bekommt man die Aufgabe, einem alten Einsiedler namens „Sim“ beim Aufbau einer Immigrantenstadt zu helfen. Während des Spiels findet man eine Reihe von NPCs, die ein neues Leben anfangen wollen, und die Ihr so in Sims kleines Nest schicken könnt. Nach und nach wächst die Stadt, und kann schlussendlich verschiedene finale Formen annehmen. Vom großen Slum mit den besten Casinopreisen bis zur riesigen Kathedrale ist alles möglich.

Nebenbei könnt Ihr helfen, mit dem Monsterpark den ersten Zoo der Dragon-Quest-Welt zu errichten. Diese Minispiele sowie zwei umfangreiche und besonders schwere Bonusdungeons können motivierte Spieler so bis über 200 Stunden vor den Schirm fesseln.


Spielumfang

Auch wenn 200 Stunden Spielzeit durchaus keine Seltenheit sind, werden schnelle Spieler wohl in 80 Stunden durch sein. Wer hingegen gerne erkundet und bereits erforschte Bereiche für neue Entdeckungen wieder besuchen möchte, wird etwa 120 bis 150 Stunden für einen normalen Durchgang benötigen. Denn zu Erforschen gibt es Einiges!

Überall warten versteckte Items, Monster und Geheimnisse. Und auch, wenn dieser Forscherdrang eine der größten Stärken des Spiels ist, so kann er gleichzeitig den Eindruck bei einigen Spielern trüben: Denn wer nicht den Dialog mit den NPCs sucht, oder in Büchern nach alten Aufzeichnungen fahndet, wird nie das volle Ausmaß der Geschichte mitbekommen.

Gerade die Rahmenhandlung, in der vom Kampf von Orgodemir und Gott die Rede ist, sowie die Hintergrundgeschichte von Estard (der einzigen Insel, die nicht vom Fluch des Demon Lords heimgesucht wurde), wird eher stiefmütterlich behandelt. Ebenso bekommen die Charaktere, die sich dem Helden in der Party anschließen nur dann voll zum Zuge, wenn man mittels „Party Talk“ mit ihnen ins Gespräch kommt und so Kommentare zu den jeweiligen Situationen einholt.

Schade, denn in der detailliert ausgearbeiteten Spielwelt steckt enormes Potenzial, das leider etwas verschenkt wurde. Außerdem ist es bei einem Rollenspiel dieses Umfangs unverzeihlich, die Welt mit derartig wenigen Musikstücken zu untermalen, auch wenn Sugiyamas Soundtrack bisweilen zu seinen besten zählt.


Lokalisierung

Die Übersetzung ins Englische ist durchaus gelungen. Auch wenn etliche Stellen ziemlich fehlerhaft sind, ist das bei der enormen Länge des Skripts allerdings nicht weiter verwunderlich. Es ist zumindest nicht so, dass man den Dialogen nicht folgen könnte, oder der serientypische Humor verloren gehen würde. Etwas gewöhnungsbedürftig sind hingegen die aus technischen Gründen auf etwa zehn Zeichen reduzierten Namen von Monstern, Zaubersprüchen und Items.


Fazit

Dragon Warrior VII ist eine Bewährungsprobe für Rollenspieler: Wer sich nicht von der armseligen Präsentation und dem extrem langatmigen Einstieg zurückschrecken lässt, findet sich in einem unglaublich umfangreichen Spiel mit einer ebenso umfangreichen Spielwelt wieder, die es zu erkunden und zu erforschen gilt.

Das Gameplay ist seltsam süchtig-machend, und der episodenartige Aufbau der Storyline weiß ebenso zu gefallen, auch wenn man ruhig etwas mehr Augenmerk auf den Ausbau der Rahmengeschichte hätte legen können. Auch hätte man ein paar Füller-Episoden durchaus streichen oder optional machen können, um so die Spielzeit der Haupthandlung etwas zu straffen.

Wer allerdings mit der altbackenen Grafik zurechtkommt, einen eher dialogreichen Erzählstil der Geschichte und längere Level-Up-Sitzungen nicht scheut, wird mit einem ebenso vielschichtigen wie motivierenden Gameplay und einer humorvollen Story belohnt, und hat eine umfangreiche, detailliert ausgearbeitete und lebendig wirkende Spielwelt vor sich.