„Listen to my story. This … may be our last chance.“
Am 29. Mai 2002 schaffte es nun endlich auch der zehnte Teil von Squares Vorzeige-RPG in die deutschen Gefilde. Die Story zentriert sich diesmal um den jungen, aus Zanarkand stammenden, Blitzballspieler Tidus, den es während einer Partie seines Lieblingsspiels durch einen Angriff des Wesens „Sin“ in die Welt von Spira verschlägt.
Spira wird ebenfalls durch Sin bedroht. Sin zerstört die Städte und Dörfer von Spira und lässt nichts außer einem Haufen Schutt und Asche zurück. Die Menschen wanden sich in ihrer Verzweiflung dem Glauben zu – der Orden Yevons spendet ihnen Trost und gibt zu verstehen, dass Sin nur durch das Befolgen der „Leitsätze“ milde gestimmt werden kann. Sin stellen sich außerdem die sogenannten Media entgegen – Menschen mit übernatürlichen Kräften, die Bestia beschwören können und Sin mit ebendiesen mutig bekämpfen, um Spira den lang ersehnten Frieden zu bringen.
Bestia sind an sich nichts wirklich Neues in FFX, zumal man einige alte Bekannte wiedersieht (Shiva, Ifrit, Bahamut). Das Besondere ist jedoch, dass man diese zum ersten Mal im Kampf nicht einfach nur herbeiruft und sie ihr Feuerwerk auf den Gegner schmettern, sondern dass der Spieler sie wie einen richtigen Charakter behandeln kann und ihnen mit Kommandos wie Angriff oder Schwarzmagie ihre Befehle vorgibt. Natürlich haben auch die Bestia eine Ekstase-Leiste, die sich durch Schaden füllt. Wenn diese erst einmal voll ist, dann erbebt der Bildschirm in gewohnter Manier in einem Grafikinferno.
Beschwören kann in FFX einzig Yuna, das junge Medium von der Insel Besaid, dem sich Tidus bald nach seiner Ankunft in Spira anschließt. Yuna hat es sich zur Aufgabe gemacht, Sin endgültig zu besiegen und reist deswegen zusammen mit Tidus ins weit entfernte Zanarkand, dass angeblich vor tausend Jahren von Sin zerstört wurde. Auf dem Weg dahin schließt man natürlich weitere Freundschaften, besucht Tempel (inklusive Rätsel) zur Bestia-Anrufung und beseitigt Horden von Kleinvieh.
Kampfsystem
Beim Kampfsystem hat es Square endlich geschafft, sich vom ATB zu lösen und es durch das CTB (Conditional Turn-Based) zu ersetzen. Im Endeffekt sieht das so aus, dass man während eines Kampfes die Charaktere nach Belieben per Tastendruck wechseln kann. Dies geht natürlich auch mit den Waffen und Rüstungen.
Die ATB-Leiste gibt es nicht mehr – stattdessen befindet sich nun eine Leiste am oberen rechten Bildschirmrand, die anzeigt, welcher Charakter bzw. Gegner als nächstes am Zug ist. Dies erlaubt strategisches Planen der Kämpfe, da einem die Zeit bei der Menüauswahl nicht mehr im Nacken sitzt. Beim Einsatz eines Items oder einem Rüstungswechsel ist der Charakter beispielsweise wieder viel schneller an der Reihe, indem sein nächster Zug vorgezogen wird.
Außerdem ist fast jeder Charakter auf bestimmte Gegnerklassen spezialisiert. So schafft Tidus vornehmlich flinke Echsen aus dem Weg, Lulu heizt mit Schwarzmagie magischen Gegnern ein und Wakka schießt mit seinem Blitzball fliegende Ungetüme ab. Jeder Charakter besitzt zusätzlich noch eine Ekstase-Leiste, die sich (zumindest anfänglich) durch Schadenserleiden füllt. Ist diese Leiste voll, hat der Charakter die Möglichkeit eine Spezial-Aktion auszuführen, die beim Gegner besonders viel Schaden verursacht, ähnlich den Limits oder dem Trance-Zustand aus früheren Teilen. Doch auch hier ist diesmal Eigeninitiative gefragt, damit das Ausführen gelingt.
Neu ist auch das sogenannte „Vernichtend“ (Overkill), wenn man einen Gegner mit besonders hohem Schaden besiegt. Als Ausgleich erhält man dafür mehr AP. Ja, AP! Die EXP wurden nämlich ausnahmslos gestrichen. Stattdessen bekommt man bei genügend AP einen Sphäro-Level geschenkt, der einem einen Zug auf dem Sphärobrett erlaubt. Mit diesem baut man seine Charaktere auf, indem man Status-Symbole und Abilities mit dem jeweiligen Sphäroid aktiviert. So robbt man über das Brett und schaltet nach und nach alle Fähigkeiten frei. Echter Tiefgang will dabei nicht wirklich aufkommen, aber zumindest macht es eine Menge Spaß.
In die Waffen und Rüstungen kann man bei fortgeschrittenem Spielstand auch Fähigkeiten einbauen lassen, die einem den Kampf vereinfachen, indem sie z. B. einen toten Mitstreiter sofort mit einer Phönixfeder wiederbeleben oder erlauben, das Schadenslimit von 9.999 HP zu übersteigen.
Der Schwierigkeitsgrad ist recht konstant und vor allem gegen Ende wartet noch das eine oder andere fordernde Gefecht, das einem das Spielerherz höherschlagen lässt. Die Steuerung ist hierbei gewohnt intuitiv, obwohl stellenweise auch etwas verkorkst. Wenn Tidus immer nur ruckartig die Richtung wechselt, anstatt wie bereits im achten Teil (‼) fließend, dann wirkt das irgendwie billig.
Extras
Langzeitmotivation ist hingegen genug geboten. Der deutsche Spieler bekommt nämlich eine auf der International-Version basierende Fassung vorgesetzt und darf sich an extrem starken Superbossen „erfreuen“, die nach Abschluss der Hauptstory wahlweise bekämpft werden können. Zudem kann man Monster für seine Farmzüchtungen fangen und den reichlichen garantiert-zum-völligen-nervlichen-Zusammenbruch-führenden Minigames nachgehen.
Alternativ zum Standard-Sphärobrett wird auch das Profi-Sphärobrett zu Spielbeginn angeboten, das durch eine veränderte Verteilung der Fähigkeiten glänzt, die zusammen mit den neuen Startpunkten der Charaktere eine viel ungehemmtere Entwicklung nach persönlichen Vorlieben ermöglicht.
Genauso gut kann man sich stundenlang beim Blitzball-Spielen aufhalten. Spira ist nämlich ebenso wie die Bewohner von Zanarkand verrückt danach. Aber auch beim heimischen Spieler wird das Ganze extremes Suchtpotenzial auslösen, wenn er seine Mannschaft gegen die Teams von Spira antreten lässt und versucht, in dieser Fußball-Volleyball-Kombination unter Wasser (‼) Tore zu schießen.
Grafik
Grafisch ist Final Fantasy X nach wie vor ein Meisterwerk. Die Landschaften, Dörfer und Städte sind mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet und auch die Hauptfiguren bewegen sich nahe am Fotorealismus. Leider sind die NPCs nicht annähernd so schön ausgefallen, obwohl sich die verschiedenen Rassen von Spira immer durch ihre eigene grafische Umsetzung perfekt an ihr Gebiet anpassen und ihre Eigenschaften zum Ausdruck bringen. So sind zum Beispiel die Al Bhed – eine Randgruppe, die durch Yevon verbotene Maschina benutzt – durch sehr maschinelle und praktische Kleidung gekennzeichnet.
Selten wurde so viel über eine Umsetzung gemeckert, wie bei FFX. Und ja, die PAL-Balken sind dick und ja, es gab sie auch schon (etwas schmaler) in früheren Teilen der Serie. Dem Spielspaß tut das nicht wirklich einen Abbruch, aber das man sich mit ca. 17 % weniger Geschwindigkeit zufrieden geben muss, ist schon arg dreist.
Sound & Fazit
Kommen wir zum Sound: Dieser ist ebenfalls gewohnt bombastisch, fällt stellenweise aber auch wieder auf uninspiriertes Geklimper zurück. Das Hauptthema „Suteki da ne“ („Isn’t it wonderful?“) ist aber sicherlich eines von Nobuo Uematsus besten Werken.
Eine Neuerung befindet sich jedoch in der Sprachausgabe. Jawohl! Nach neun Teilen Bildschirmtexte-wegdrücken haben die Charaktere endlich eine Stimme bekommen und plappern fröhlich vor sich hin. Was beim ersten Durchlauf noch ganz angenehm ist, wird beim späteren Durchspielen einfach nur noch lästig, da man die Dialoge leider nicht überspringen kann. Trotz allem ist die englische Sprachausgabe bis auf den einen oder anderen Ausrutscher jedoch sehr gelungen und feiert einen guten Einstand.
Übrigens entstammen die (standardmäßig eingeschalteten) deutschen Untertitel der japanischen Fassung. Manchmal wird man jedoch verdutzt schauen, wenn sich gesprochenes Wort und Untertitel ziemlich voneinander unterscheiden. Die Sprachausgabe wurde nämlich recht frei übersetzt (nicht die Untertitel!).
Zusammenfassend kann man eigentlich nur sagen: kaufen, spielen, lieben. Final Fantasy X wird jeden RPG-Liebhaber für Monate vor die Glotze binden. Und wer seinerzeit keine PlayStation 2 hatte, um das Original zu spielen, kann heutzutage problemlos auf eine Remastered-Version für PS3, PS4, PS Vita und sogar PC zurückgreifen.