„Ah… Amaterasu. Origin of all that is good and mother to us all…“

In Zeiten unzähliger Prequels, Sequels, Spin-Offs, Verfilmungen und anderer unliebsamer Wiederaufbereitungen von längst ausgedienten Franchises, wünscht man sich doch von Zeit zu Zeit mal wieder was richtig Originelles und Innovatives für die heimische Konsole.

Unter der Leitung von Atsushi Inaba, seines Zeichens Chief Executive Officer des mittlerweile leider aufgelösten Clover Studios – einem unabhängigen Entwicklerstudio, das 2004 von Capcom Japan ins Leben gerufen wurde und für kreative Titel wie Viewtiful Joe und zuletzt God Hand verantwortlich zeichnet – erschien im Jahr 2006 mit Ōkami nur kurze Zeit vor dem Startschuss der neuen Konsolen-Generation (Xbox 360, PlayStation 3, Wii) noch einmal ein richtiger Knüller für die scheidende PlayStation 2.

Der Titel des Spiels ist ein einziges Wortspiel: Zunächst bedeutet Ōkami im Japanischen einfach nur „Wolf“, jedoch stehen die Kanji-Schriftzeichen im Titel gleichzeitig für „große Gottheit“. Ferner lässt sich Ōkami noch mit „großes Papier“ übersetzen, wenn man es gleich schreibt, aber anders ausspricht. Eine Anspielung, die auf das einzigartige Gameplay des Spiels hinweisen soll, zu dem wir Euch im folgenden Review mehr erzählen wollen.

Ōkami verkörpert traditionelle japanische Mythologie, verbunden mit grundlegenden Elementen der Shintō-Religion, einer überwiegend in Japan praktizierten Glaubensform, die sich mit dem „Weg der Götter“ befasst. Das Spiel gilt weiträumig als eine der originellsten und (auch visuell) packendsten Videospiel-Erfahrungen, die man als ambitionierter Gamer machen kann, und beweist eindrucksvoll, wie viel aus der PS2 noch herauszuholen ist, und dass man selbst der ultra-hochauflösenden Konkurrenz von PlayStation 3 und Xbox 360 noch Paroli bieten kann.

Obwohl die Verkaufszahlen mit 200.000 abgesetzten Einheiten in Nord-Amerika und sogar nur 66.000 verkauften Kopien in Japan sehr enttäuschend ausfielen, kam das Spiel in der ersten Verkaufswoche immerhin auf Platz 1 der britischen Charts, bevor es dann aber auch dort aus den Hitparaden verschwand. Dennoch erntete es sowohl von der Presse als auch von Spielern selbst fast ausschließlich Traumwertungen in Regionen oberhalb der 90-Prozent-Marke und dürfte damit zu den besten PS2-Titeln überhaupt gehören. Warum, wieso und weshalb das Alles, erfahrt Ihr im Folgenden.


Story

Das Spiel beginnt nicht etwa mit einer protzigen CG-Sequenz, wo Euch die Multi-Million-Dollar-Spezialeffekte nur so um die Ohren geflogen kommen, sondern Ihr seht lediglich ein Stück altes Pergamentpapier, auf dem Euch in Form einer hübsch in Szene gesetzten Bildergeschichte die Vorereignisse des eigentlichen Hauptplots von Ōkami nähergebracht werden.

Vor langer Zeit gab es im westlichen Nippon ein kleines Dorf mit dem Namen Kamiki, angeschmiegt an großen Stolz und wunderschöne Kirschblüten. Jeder einzelne Baum im Dorf wurde als Gott verehrt, dennoch hatte die Ortschaft auch seine dunklen Geheimnisse. Um den Appetit von Orochi, einer schrecklichen Bestie mit acht Köpfen, zu stillen, wurde ihm jedes Jahr im Rahmen eines Festes eine Opfergabe gestellt, in Gestalt einer jungen Maid. Denn niemand wagte es, sich dem Monster zu widersetzen.

Als die Nacht der Opfergabe näher rückte, erschien ein mysteriöser weißer Wolf, den die Dorfbewohner Shiranui („weiße wilde Majestät“) nannten. Das Tier warf einen wachsamen Blick auf jeden, der sich außerhalb des Dorfes aufhielt, und machte es sich zur Aufgabe, nachts durch die Straßen von Kamiki zu patrouillieren. Die Leute nahmen an, der Wolf sei ein Vertrauter des schrecklichen Orochi.

Ein Mann war bereit, es alleine mit dem furchterregenden Shiranui aufzunehmen. Dieser Krieger, Nagi, versuchte mehrere Male, den Wolf herauszufordern, doch scheiterte er immer wieder an den überwältigend flinken Bewegungen der Bestie.

In der Nacht des jährlichen Festes sollte ein weißer Pfeil vom Himmel kommen und die bevorstehende Opfergabe einläuten. Dieser Pfeil schoss genau in das Haus von Nami, der schönsten Maid des Dorfes. Nagi, der heimlich tiefe Gefühle für das Mädchen hegte, war so erbost über dieses Zeichen, dass er beschloss, dem Schrecken ein für alle Mal ein Ende zu setzen, indem er anstelle seiner Liebsten zu Orochi aufbrach.

Die Mondhöhle, ein Ort ebenso düster wie bösartig, diente dem Monster als Unterschlupf. Als der tapfere Nagi vor dem Eingang der Höhle stand, erschienen acht blutrot leuchtende Augenpaare vor ihm, gierend nach einer Opfergabe. Mit schwingender Klinge und majestätischer Grazie stürmte Nagi auf den Feind zu, doch seine Hiebe spalteten höchstens die dünne Luft in jener mondlosen Nacht. Orochis Körper jedenfalls bekam nicht einen Kratzer ab und schien aus Stahl zu sein.

Völlig erschöpft vom intensiven Kampf, fiel Nagi schließlich auf die Knie und schnappte nach Luft. Er wusste genau, sein Ende stand bevor. In diesem Moment erschien Shiranui mit seinem schneeweiß glänzenden Fell und stellte sich zwischen Nagi und die achtköpfige Bestie, als wollte er den tapferen Krieger in Schutz nehmen. Orochi machte sich auf einen ernsten Kampf mit dem Wolf gefasst und die zwei lieferten sich ein spektakuläres Gefecht in der Finsternis.

Stieß Orochi Flammen aus, wurden sie von Shiranuis Windböen weggefegt. Wollte das Monster dem Wolf ans Fell, ließ dieser wie aus dem Nichts einen Baum erscheinen, der das Tier schützte. Galant kämpfte das schneeweiße Wesen weiter, um die Oberhand zu gewinnen. Dennoch konnte Orochi, umhüllt von einer seltsamen Macht, nicht so leicht bezwungen werden. Schließlich war auch Shiranui am Ende seiner Kräfte und schien der achtköpfigen Übermacht fast hilflos ausgeliefert.

Orochi sah den Zeitpunkt gekommen, seinem Widersacher den Gnadenstoß zu versetzen, doch Shiranui wollte sich nicht geschlagen geben. Mit letzter Kraft stieß das Tier einen majestätischen Schrei zum Nachthimmel aus, der die schwarzen Wolken zerstreute und den Mond zum Vorschein brachte. Vom Mondlicht umhüllt, begann Nagis Schwert zu glühen, und der von neuer Hoffnung erfüllte Krieger glitt wie von Gotteshand geleitet durch die Höhle, hackte dem schrecklichen Orochi einen Kopf nach dem anderen ab, und sah sich schließlich im vergossenen Blut des geschlachteten Monsters stehen.

In diesem Moment war der Fluch, dem Kamiki lange Zeit unterworfen war, endlich aufgehoben. Schon bald zeigte sich die Sonne am Himmel, der erschöpfte Shiranui jedoch war dem Gift des Monsters erlegen und rang um sein Leben. Nagi nahm das sterbende Tier in die Arme und kehrte mit ihm ins Dorf zurück. Dort angekommen, gab der Wolf keine Bewegung mehr von sich. Der Dorfälteste strich dem Wesen liebevoll über den Kopf, woraufhin es ein schmerzliches Kläffen ausstieß, ehe es die Augen schloss und scheinbar friedlich einschlief.

Frieden kehrte ins Dorf ein, und zum Gedenken an Shiranuis Heldentat wurde dem Tier ein Schrein errichtet. Nagis Schwert wurde auf den Namen Tsukuyomi („Mondnacht“, eine Gottheit des Shintō) getauft und wurde im Inneren der Mondhöhle zurückgelassen, wo es das Ableben des schrecklichen Orochis besiegeln sollte. Kamiki sah dem ewigen Frieden entgegen, jedoch endet die Geschichte hier noch lange nicht.

Einhundert Jahre sind vergangen seit den Ereignissen in der Mondhöhle. Eine maskierte Gestalt hat sich an den Schauplatz der Schlacht geschlichen und ist bis zu Nagis legendärem Schwert vorgedrungen. Der Unbekannte hält die Geschichte um Orochi, Nagi und Shiranui für ein einziges Ammenmärchen, darum reißt er das Schwert aus dem Boden. Wie es nicht anders kommen sollte, bricht das Siegel, und Orochi erwacht wieder zum Leben. Der verängstigte Eindringling nimmt die Beine in die Hand und flieht, aber Orochi ist nun frei, und so geschieht es, dass das ganze Land von einer schwarzen Seuche überfallen wird.

Lediglich ein Dorf wird von der Katastrophe verschont, nämlich jene kleine Siedlung von Kamiki, die unter dem Schutz eines heiligen Baumes steht. Hier steht auch der Schrein, den man damals zu Ehren Shiranuis errichtet hat, und kurz bevor das Denkmal von einem herannahendem Felsbrocken zertrümmert werden soll, erscheint wie aus dem Nichts die geheimnisvolle Waldelfe Sakuya und hält den Brocken auf.

Sie erkennt den Ernst der Lage sofort und spricht ein Gebet zur Sonnengottheit des Shintō mit dem Namen Amaterasu, die sich daraufhin im Abbild des Wolfes manifestiert und zum Leben erwacht. Sakuya, vollkommen fasziniert von der Schönheit des schneeweißen Wesens, sieht in der Sonnengöttin die einzige Hoffnung im Kampf gegen die Finsternis, die sich über Nippon erstreckt hat.

Hier hat auch Issun seinen Auftritt: Ein kleiner, grüner, hopsender Käfer, der es sich mal wieder im Ausschnitt der schönen Waldelfe bequem gemacht hat. Das kleine Etwas fällt zu Boden und stellt zunächst klar, dass er kein Käfer, sondern ein Künstler auf Wanderschaft ist, der beweisen will, wie mächtig er sein wird, wenn er alle Pinseltechniken gemeistert hat. Kurz darauf gilt seine gesamte Aufmerksamkeit Amaterasu (im Folgenden „Ammy“), die den kleinen Issun zur Begrüßung erst einmal auf seine Kaukonsistenz prüft.

Auch wenn es ihm nicht besonders gefällt, vom Sabber eines Wolfes ummantelt zu sein, geht er mit dem Tier einen Bund ein und begleitet Ammy fortan überall hin. Er dient ihr als nicht minder aufdringliches Sprachrohr, sorgt für so manche humoristische Einlage, speziell in Anwesenheit hübscher (meist vollbusiger) Frauen, von denen Ihr im Laufe des Spiels nicht zu wenige antrefft, und er gibt Euch in allen denkbaren Lebenslagen wichtige Hinweise und Tipps zur Meisterung des Abenteuers.

Sakuya verabschiedet sich mit der Bitte, die vom heiligen Baum herabhängende Frucht, in der die Seelen der Bewohner Kamikis gefangen sind, zu pflücken, damit das Dorf wieder zum Leben erwacht. Sie hat volles Vertrauen in Amaterasu und ihren kleinen Kompagnon, sodass sie den zwei ungleichen Helden das Schicksal der Welt in die Hände legt.

Ein episches Abenteuer beginnt, und Ihr werdet mit sehr viel mehr als nur dem Niederschlachten eines achtköpfigen Monstrums konfrontiert sein. Eine Großstadt muss von einer giftigen Seuche befreit werden; Dorfbewohner bangen um ihr Leben aufgrund eines unzähmbaren Schneesturms; kostbare Frachtschiffe werden von einem wütenden Wasserdrachen attackiert, und vieles mehr.

Ihr trefft auf eine Vielzahl von lustigen, geistreichen, höhnischen und durchtriebenen Charakteren, die von Persönlichkeit nur so strotzen, darunter der ambitionierte, aber stinkfaule Krieger Susano, ein übermütiger Nachfahre des legendären Nagi, mit dem Ihr schon sehr früh im Spiel das Vergnügen haben werdet. Und doch ist er nur eine von hundert charismatischen Rollen in diesem gewaltigen Epos – und wo seine Geschichte endet, dürfte Euer Abenteuer erst so richtig warmgelaufen sein!


Grafik

Wer dem Irrglauben verfallen ist, gute Grafik setze puren Realismus voraus, wird an Ōkami erkennen, dass man das Auge auch anders verwöhnen kann. Die Optik basiert auf comic-ähnlicher Cel-Shading-Technologie, die seit dem Release von „The Legend of Zelda: Wind Waker“ in diversen Spielerkreisen leider eher verpönt ist, jedoch in Ōkami einem wesentlich reiferen und weniger kindlichem Stil folgt.

Dabei sollte das Spiel ursprünglich für die PlayStation 3 entwickelt werden, mit fotorealistischer 3D-Grafik, was aber recht schnell wieder verworfen wurde, weil man der Meinung war, den Bezug Amaterasus zur Natur besser zur Geltung bringen zu können, indem man auf die farbträchtigere Cel-Shading-Optik baut und das Spiel stattdessen für die PS2 veröffentlicht.

Ōkami bezieht fast all seine Inspiration aus japanischer Kultur und wartet mit ebenso brillanten wie attraktiven Pastellfarben auf, die das Spiel wie ein einziges lebendes Aquarell aussehen lassen – voller Energie, dynamisch und pittoresk. Man erkennt schnell, wie viel Liebe die Entwickler in ihr Projekt gesteckt haben, nichts bleibt unberührt von der extravaganten Schönheit, die dieses Spiel ausstrahlt, und man würde nie auf die Idee kommen, dass das System, auf dem all dies geschieht, bereits über sechs Jahre alt war.

Die Welt von Ōkami verfügt über eine ausgeglichene Vielfalt von Licht und Schatten. Von Gras, Wasser, Bergen, Ödland, Schnee und Eis, bis hin zu feurig heißer Lava ist so ziemlich alles vertreten, was Mutter Natur zu bieten hat. Der Himmel sieht aus als wäre er aus Papier gemacht, Berge deuten sich konturenhaft am Horizont an, Windböen werden in Form von verschnörkelten Linien dargestellt, und das Wasser, welches all diese Dinge noch mal in ihrer ganzen Schönheit reflektiert, ist blauer als man es sich in seiner kühnsten Fantasie vorstellen könnte.

Das Charakterdesign ist zwar eigenartig, dafür aber kreativ und originell. Die Figuren haben teilweise keine Münder oder wirken unproportional geformt. Emotionen werden auf skurrile Weise durch eingeblendete Symbole wie Ausrufezeichen, Regenwolken, Sterne oder Dampfwolken zum Ausdruck gebracht, wie man es vielleicht aus diversen Anime und Manga kennt. Zudem erkennt man schon von weitem, ob jemand gut gelaunt oder mürrisch ist, anhand einer Gedankenblase, die über dem Kopf einer Person schwebt. So sind die Leute auch schneller zu lokalisieren, was unnötiges Herumlaufen und Suchen erspart.

Die wahre Schönheit des Spiels kommt aber erst mit dem Wiederherstellen des ersten Kirschbaums („Sakura“) zum Vorschein. In einer Zwischensequenz strömt das Grün förmlich übers triste Ödland, Blumen sprießen hervor, Springbrunnen entstehen, flauschige Tiere kommen aus ihrem Versteck und überhaupt ist alles wieder voller bunter Farben und voller Leben – einfach ein erstaunlicher Anblick.

Natürlich strotzt auch Eure Spielfigur selbst geradezu vor Schönheit. Aufgrund ihres schneeweißen Fells ist Ammy immer perfekt sichtbar, ohne jedoch penetrant aus dem Bild hervorzustechen. Ihre Bewegungen wirken allesamt sehr weich und realistisch, egal ob sie schleicht, rennt, springt, gräbt oder den Himmel anheult. Man könnte meinen, Clover habe einen echten Hund zum Motion Capturing ins Studio geladen. Auch die kleinen Details um Ammy herum sind bemerkenswert, wie etwa die bunten Blümchen, die sie in einer Spur hinter sich herzieht, wenn sie übers Land sprintet.

Des Weiteren wartet das Spiel mit hunderten detaillierten Artworks auf, die entweder das Hintergrundbild im Pausenmenü zieren, die Story weitererzählen oder neue Monster einleiten. Jedes einzelne dieser Bilder ist bis ins letzte Detail ausgearbeitet und keinesfalls ein Werk von fünf Minuten, sondern jedes für sich ein kleines exotisches Meisterwerk japanischer Zeichenkunst, das einen großen Teil dazu beiträgt, Ōkami wie ein einziges lebendes Gemälde aussehen zu lassen.


Gameplay

Grundlegendes Spielelement von Ōkami sind die göttlichen Pinseltechniken, derer es insgesamt 13 Stück im Spiel gibt. Durch Drücken der R1-Taste wird das Spiel „eingefroren“ und die gesamte Bildfläche verwandelt sich in ein Zeichenpapier, das mit schwarzer Tinte bemalt werden kann. Der Spieler erlangt die Steuerung über einen großen Pinsel, den er mithilfe des linken Analog-Sticks frei über den Bildschirm bewegen kann. Hält man die Quadrat- oder Dreieck-Taste gedrückt, können mit dem Pinsel beliebige Motive auf das Papier gezeichnet werden, so lange wie Tinte vorhanden ist.

Was zunächst nach einem Albtraum für jeden Grobmotoriker klingt, erweist sich schon nach den ersten paar Zeichnungen als unglaublich einfach zu handhabender Spaß. Man muss auch kein Picasso sein, um in diesem Spiel Fortschritte machen zu können, da die meisten Techniken lediglich aus simplen Linien, Kreisen und Kurven bestehen, die selbst bei unsauberer Ausführung meistens noch richtig vom Spiel interpretiert werden. Mit ein wenig Übung schüttelt man die Motive schon bald nur noch blindlings aus dem Ärmel.

Die ersten zwei Techniken erhält man bereits sehr früh im Spiel, genau gesagt unmittelbar nach dem Intro. Ihr seht eine unvollständige Sternenkonstellation am Himmel und werdet von Issun aufgefordert, die fehlenden Sterne einzuzeichnen. Kurz darauf erscheint bereits die erste der dreizehn Götterfiguren – Yomigami, ein weißer Drache, der die Verjüngung verkörpert. Ammy lernt daraufhin, zerstörte Brücken, Säulen und andere Dinge, die „einfach da“ sein sollten, zu rekonstruieren, indem sie die fehlenden Teile mit dem Pinsel in die Welt malt.

Wenig später lernt man dann schon die zweite Gottheit kennen: Tachigami, eine Ratte, die Euch den „Power Slash“ beibringt. Dieser ist so ziemlich die wichtigste und wohl am häufigsten verwendete Technik im gesamten Spiel. Der Power Slash erlaubt Euch, Euren Pinsel wie ein Schwert einzusetzen, wodurch verschiedene Gegenstände wie Bäume, Felsen, Töpfe, aber auch feindliche Dämonen mit einem kurzen, schnellen Hieb wie von Geisterhand entzwei geschlagen werden. Dazu muss mit dem Pinsel nur eine möglichst gerade, horizontale Linie über das Zielobjekt gezogen werden.

Und so geht es dann immer weiter. Ihr stoßt auf unzählige Rätsel, seht neue Sternenkonstellationen und trefft auf weitere Gottheiten, die Euch die restlichen Pinseltechniken beibringen. Dabei bekommt jeder Gott einen kurzen, meist sehr komischen Auftritt, der in irgendeiner Peinlichkeit für alle Anwesenden endet. Anschließend bittet Euch Issun, die neu erlangte Technik an einem Objekt in der Nähe zu testen. So wird dem Spieler schnell und unmissverständlich klar, wozu die neue Fähigkeit gut ist und wie man sie richtig anwendet.

Im Laufe des Abenteuers lernt Ihr dann unter anderem noch, wie man den Tag zur Nacht (und umgekehrt) macht, wie man alles mögliche Zeug in die Luft sprengt oder in Brand setzt, wie Bäume wieder zum Blühen gebracht werden, und vieles mehr. Es wird in allen Spielsituationen immer wieder eine dieser Techniken gefragt sein, manchmal auch in Kombination mit einer anderen Technik oder inmitten einer Zwischensequenz, z. B. wenn Susano auf die übermütige Idee kommt, einen gewaltigen Felsen mit seinem Holzschwert durchschlagen zu wollen.

Ähnlich wie in Metroid, Castlevania und Zelda, ist ein Vorankommen im Spiel nur durch den Erhalt neuer Fähigkeiten und Pinseltechniken möglich, sodass Ihr gewisse Hindernisse erst überwinden könnt, nachdem Ammy und Issun auf eine neue Gottheit gestoßen sind und ihre Technik gelernt haben – klassisches Backtracking-Prinzip also.

Jede Aktion mit dem Pinsel konsumiert Tinte, von der Ihr zu Spielbeginn drei Bottiche besitzt. Durch Sammeln von „Praise“ (Glaubenspunkten) kann der Tintenvorrat auf bis zu zehn Einheiten erhöht werden, doch dazu später mehr. In der Regel verbraucht jede Aktion wie z. B. ein Power Slash genau einen Bottich, andere Techniken können je nach Ausmaß bis zu neun Einheiten Tinte verbrauchen.

Sind alle Tintenvorräte verbraucht, ist Ammy für kurze Zeit stark in ihren Fähigkeiten eingeschränkt, d. h. sie kann ihre Waffen nicht mehr einsetzen, ihre göttlichen Tattoos verschwinden und sie verliert alle ihre Spezialtechniken. Im Grunde steuert Ihr dann nur noch einen gewöhnlichen weißen Wolf, aber glücklicherweise füllt sich die Tinte von selbst wieder auf bzw. kann durch den Gebrauch eines „Inkfinity Stones“ sogar zeitweise unbegrenzt genutzt werden. Dennoch solltet Ihr es vermeiden, den kompletten Tintenvorrat aufzubrauchen, da es schon ein paar Sekunden dauert, bis Ammy überhaupt ansatzweise wieder zu Kräften kommt.

Die Steuerung gestaltet sich hingegen denkbar einfach, obwohl es vielleicht zunächst ein komisches Gefühl ist, als Vierbeiner durch die Landschaft zu streifen. Dennoch ist die Tastenbelegung auf dem Controller sehr benutzerfreundlich, schnell zu erlernen und zu keiner Zeit kompliziert. Gespielt wird aus der dritten Perspektive, mit dem linken Analog-Stick lenkt Ihr Ammy durch die Umgebung, mit dem rechten Stick steuert Ihr die Kamera, sofern möglich.

Leider fällt die Perspektive mitunter etwas ungünstig aus, aber nach einer Zeit kommt man auch mit dieser kleinen Schwäche weitestgehend klar. Zur Not kann mittels L1-Taste in die Egoperspektive umgeschaltet werden, wo es keine störenden Sichtblockaden mehr gibt.

Mit X wird gesprungen, die Kreis-Taste lässt Ammy bellen, mit Dreieck könnt Ihr nach Schätzen graben und bei Druck auf die Quadrat-Taste führt Ammy ihre Kopframme aus, mit der Gegner verletzt, Gegenstände zertrümmert oder alle möglichen Personen angerempelt werden können. Im Laufe des Abenteuers könnt Ihr manche dieser Fähigkeiten erweitern oder neue erlangen, indem Ihr ein paar Nachhilfestunden im nächsten Dojo nehmt. So wird beispielsweise Eure Sprungkraft erhöht, Angriffsserien können gesteigert werden oder Ammy wird generell kräftiger.

Die Kernaufgabe des Spiels liegt darin, die verdunkelten Teile Nippons vom Bösen zu befreien und wieder zum Leben zu erwecken. Dazu müsst Ihr die vertrockneten Kirschbäume aufspüren und mithilfe Eurer Pinselkraft neu erblühen lassen. Nebenbei können einzelne verdorrene Bäume und schwarze Flecken in der Landschaft für zusätzliche Praise-Punkte sorgen, wenn Ammy sie repariert.

Es gibt immer einen Hauptplot, dem man folgen muss, um in der Geschichte weiterzukommen. Ein Logbuch im Pausenmenü hält den Spieler jederzeit auf dem Laufenden, was als nächstes zu tun ist, für den Fall dass man nach längerer Spielpause vergessen haben sollte, wo man eigentlich war. Zusätzliche Hilfe verschafft da eine Wahrsagerin, die für einen Obolus immer ein paar Hinweise parat hat.

Falls das alles nicht Hilfe genug ist, reicht manchmal schon ein bloßer Blick auf die Karte, wo der nächste Zielort in der Regel eingezeichnet ist. Besucht diese Orte, lasst die Story ihren Lauf nehmen und nutzt Eure neu erlangten Fähigkeiten und Schlüsselitems, um neue Dörfer, Dungeons und Städte zugänglich zu machen, wo es dann ebenfalls wieder vieles zu tun gibt.

Dabei entstehen von Ereignis zu Ereignis immer wieder neue, kleine Verästelungen in Form von optionalen Sidequests, derer man sich annehmen kann. Man hat also stets die Freiheit, sich erst diversen Nebenaufgaben zu widmen, ehe man mit der Haupthandlung fortfährt. So will man beispielsweise jeden Winkel nach brauchbaren Items oder Geld absuchen oder verbringt seine freie Zeit damit, kostbare Vasen an traurige Götterstatuen abzuliefern; Wettrennen gegen rasende Lieferjungen zu bestreiten; einen nächtlichen Dieb zu fassen; auf Monsterjagd zu gehen; Tiere zu füttern; graue Flecken in der Landschaft zu kurieren oder nach seltenen Fischen zu angeln. Jede gute Tat verschafft dem Spieler weitere Praise-Punkte, die im Pausenmenü für neue Lebensenergie, mehr Tinte und andere Status-Upgrades eingetauscht werden können.

Die Dungeons sind nicht allzu lang oder kompliziert, Ihr werdet es mit zahlreichen interessanten Rätseln zu tun bekommen, z. B. um versiegelte Türen zu öffnen, und stellenweise wird natürlich auch so manches Talent mit dem Pinsel abgefragt. Insgesamt gestalten sich die Dungeons sehr abwechslungsreich und originell, niemals eintönig oder stressig und erst recht nicht zu schwer oder gar frustrierend. Die Zahl der Monsterbegegnungen hält sich ebenfalls stets in Grenzen, oftmals bekommt Ihr es am Ende aber noch mit einem kleinen Bossgegner zu tun.

Man kann sich entweder zu Fuß durch die Welt von Ōkami bewegen, oder mit Hilfe verschiedener Teleport-Möglichkeiten wie den „Mermaid Springs“ oder „Ultimate Mirrors“. Letztere dienen zudem als Speicherpunkte und sind sehr großzügig im Spiel verteilt. Es gibt so gut wie keine Einschränkungen in Eurem Bewegungsfreiraum, Ihr könnt Euch während des gesamten Spielverlaufs komplett frei durch Nippon bewegen – ausgenommen wenige Orte, die nur einmal besucht werden können und danach nicht mehr. Allerdings enthalten diese Orte niemals kostbare Items wie z. B. „Stray Beads“, die man eventuell verpassen und später nicht mehr einsammeln kann. Es macht Spaß, die Dörfer und Wälder öfter zu besuchen, weil man anhand der neu erlangten Fähigkeiten und Techniken immer wieder Dinge findet, mit denen man zuvor nichts anfangen konnte, oder Hindernisse, die bislang nicht zu überwinden waren.

Enttäuschenderweise ist der Schwierigkeitsgrad von Ōkami extrem niedrig angesetzt, sodass es beinahe unmöglich ist zu sterben. Heil-Items kosten nicht viel, es können von jeder Sorte bis zu 99 Stück gleichzeitig getragen werden und man kann die Items jederzeit benutzen, selbst inmitten eines Kampfes, ohne jeglichen Druck. Ein anderes Item schützt Ammy zeitweise sogar komplett vor feindlichen Attacken, und davon könnt Ihr ebenfalls bis zu 99 Stück gleichzeitig herumtragen.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass man es wirklich mal schaffen sollte, sämtliche Lebensenergie zu verlieren (etwa weil man den Controller aus der Hand gelegt hat), sorgt ein gut aufgefüllter „Astral Pouch“ bis zu viermal (!) für eine sofortige Wiederbelebung. Man könnte wirklich meinen, das Spiel verfügt über keinen Game-Over-Screen – ich zumindest habe ihn nach 50 Stunden Spielzeit nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen.

Richtig schwierig werden die Kämpfe eigentlich nur dann, wenn man seine geernteten Praise-Punkte bewusst nicht einsetzt, z. B. um die Energie-Einheiten zu erhöhen. Insofern hat man gewissermaßen die Freiheit, selbst über den Schwierigkeitsgrad zu bestimmen, indem man einfach auf jegliche Power-Ups und sonstige Hilfsmittel verzichtet. Andernfalls gestaltet sich das Spiel durchgehend sehr einfach und weniger anspruchsvoll, mal abgesehen von einer paar kniffligen Rätseln, Bosskämpfen und diversen Sprungeinlagen, die nicht zu selten ein hohes Maß an Geschick erfordern.

Alles in allem ist das Gameplay dennoch voll und ganz zufriedenstellend. Man verfügt über riesige Bewegungsfreiheit, kann jedes Haus betreten; mit jeder Person reden und unzählige Nebenjobs annehmen; jeden Baum fällen; jeden Fels zertrümmern; jedes Hindernis umrennen; Dorfbewohner ärgern, anzünden, durchnässen, unter Strom setzen; man kann einfach mit allem und jedem irgendwie auf irgendeine Weise interagieren und Spaß an den Reaktionen haben. Dies allein macht Ōkami schon zu einem Spielgenuss sondergleichen.


Kampfsystem

Monster bekämpfen ist in Ōkami nicht zwingend erforderlich, um nicht zu sagen fast schon komplett optional. Jedoch erhält man auf diese Weise nicht nur viel Geld, sondern auch die wertvollen „Demon Fangs“, welche sich bei verschiedenen Händlern für ebenso kostbare wie nützliche Artefakte eintauschen lassen.

Der Spieler kann die Feinde in der Regel schon aus weiter Entfernung sehen, allerdings nicht in ihrer echten Gestalt, sondern lediglich in Form von schwebenden Schriftrollen, die sich langsam übers Land fortbewegen und in unterschiedlichen Farben auftreten.

Welche Monster nun genau in welchen „Demon Scrolls“ enthalten sind, erfährt man aber erst, wenn man tatsächlich in eine dieser Schriftrollen hineinrennt, sei es aus Absicht oder versehentlich, etwa weil man ihr zu nahe gekommen ist. Es ist eigentlich kein Problem, den Dämonen auszuweichen, insofern gerät man nur sehr selten in unerwünschte Zwischenkämpfe. Diese sind in der Regel aber auch recht schnell beendet, vorausgesetzt man weiß, welcher Gegner mit welchen Methoden am schnellsten zu erledigen ist.

Wird ein Kampf nun eingeleitet, färbt sich die gesamte Umgebung auf einen Schlag finster, und ein knallbunter Grenzwall erstreckt sich um das kreisförmige Kampfareal. Man kämpft sozusagen unter einer Käseglocke. Etwaige Bäume, Fackeln, Felsen, Eisblöcke und andere Teile der Umgebung werden zu mehr oder weniger brauchbaren Requisiten umfunktioniert, die der Spieler auf unterschiedlichste Weise nutzen kann.

Will man aus dem Kampf fliehen, bietet der Grenzwall mehrere Schwachstellen, die durch physische Attacken zu Schlupflöchern verarbeitet werden können, die dann eine Flucht ermöglichen. Aufgrund des enorm niedrigen Schwierigkeitsgrades von Ōkami werdet Ihr Euch aber wahrscheinlich niemals in der Situation finden, dass Ihr einem Gegner nicht gewachsen seid und eine Flucht antreten müsst.

Es gibt zahlreiche Methoden und Wege, seinen Widersachern den Garaus zu machen. Da wäre zum einen die konventionelle Art, nämlich einfach mit roher Gewalt auf den Gegner einzuprügeln, bis dieser das Zeitliche segnet. Ammy verfügt über zwei Waffen an seinem Körper: Eine Hauptwaffe, die mit der Quadrat-Taste ausgelöst wird, und eine Sekundärwaffe, zu betätigen mittels Dreieck-Taste. Insgesamt gibt es 15 verschiedene Waffen im Spiel, eingeteilt in die Kategorien „Reflector“, „Rosary“ und „Glaive“. Jeder dieser Waffentypen umfasst fünf Modelle, eines stärker als das vorherige.

Ihr startet mit einem einfachen Reflector, einer rotierenden Scheibe auf Ammys Rücken, die sich bestens zum Nahkampf eignet. Damit lässt sich eine Angriffsserie von drei bis fünf Treffern hinlegen, indem man wiederholt auf die Quadrat-Taste drückt. Rüstet man einen Reflector als Zweitwaffe aus, erhält Ammy bei Druck auf die Dreieck-Taste kurzzeitig einen Schutzschild.

Später im Spiel bekommt Ihr dann auch das erste Rosary, eine Art Peitsche, die (als Hauptwaffe ausgerüstet) einen oder mehrere Feinde aus weiter Entfernung mehrfach verletzen kann. So landet Ammy schnell mal eine Angriffsserie von 50 Treffern, jedoch ist dieser Waffentyp aufgrund seiner hohen Reichweite und der schnellen Trefferfolge wesentlich schwächer als etwa eine Nahkampfwaffe. Als Sekundärwaffe eingesetzt, kann man seine Feinde aus sicherer Entfernung unter Beschuss nehmen.

Der dritte Waffentyp, die Glaives, sind Schwerter, die Ammy auf dem Rücken trägt. Um einen Gegner damit zu verletzen, muss man die Angriffstaste kurz gedrückt halten, um die Waffe „aufzuladen“, und dann loslassen. So können auch mehrere Treffer in Folge gelandet werden. Gekonnt eingesetzt, sorgen diese Waffen womöglich für den größten Schaden, jedoch sind sie für den bequemen Button-Masher eher gewöhnungsbedürftig.

Glaives als Zweitwaffen ermöglichen es, Feinde aus weiter Distanz per Luftangriff zu attackieren. Jedoch muss man auch hierfür erst die Angriffstaste gedrückt halten, um das Schwert aufzuladen. Mit einem Glaive kann man übrigens ebenfalls Gegner unter Beschuss nehmen, indem man kurz in den Brush-Mode wechselt und einzelne Punkte auf das Ziel malt, das beschossen werden soll.

Jede der 15 Waffen kann einmalig durch den Einsatz von Goldstaub verstärkt werden. Dieses Material ist über ganz Nippon verstreut und kann durch Lösen von Sidequests erhalten oder von wenigen Händlern in limitierter Menge gekauft werden. Waffen, die durch Goldstaub verstärkt wurden, werden im Menü entsprechend markiert, sodass man schnell erkennt, ob eine Waffe bereits ein Power-Up erhalten hat oder nicht. Anfängern sei übrigens angeraten, nur Waffen zu bearbeiten, die man auch regelmäßig benutzt, damit eventuell überschüssiger Goldstaub nicht für unliebsame Geräte verschleudert wird. So kann man sich das ebenso kostbare wie seltene Material für spätere Waffen aufheben.

Monster können also einerseits durch den Einsatz von Haupt- und Sekundärwaffe an Ammys Körper bezwungen werden. Mit Voranschreiten im Spiel werden aber auch die Kämpfe immer komplexer, sodass Ihr nicht zu selten nur noch mithilfe Eures Pinsels siegreich sein könnt. So haben manche Gegner beispielsweise ein schützendes Hilfsutensil bei sich, das erst durch den Power Slash zerstört oder durch einen Windstoß weggeweht werden muss, damit man an das verletzliche Fleisch dahinter rankommt.

Andere Monster halten sich bevorzugt in der Luft auf und müssen erst vom Himmel geholt werden, bevor man sie verdreschen kann. Manchmal ist der Gegner auch in Flammen oder Eis gehüllt und kann ebenfalls erst durch den Einsatz einer bestimmten Pinseltechnik zugänglich gemacht werden. Insofern ist immer ein bisschen mehr Kreativität gefragt als nur stumpfsinniges Eindreschen, ganz besonders bei den Bossbegegnungen, die vor Vielseitigkeit, Originalität und Abwechslungsreichtum nur so strotzen. Jeder Gegner hat irgendwo einen Schwachpunkt, aber den muss man erst einmal finden, und genau das ist das Spaßige am Kampfsystem von Ōkami.

Wird Ammy mal verletzt, kann ihre Lebensenergie schnell wieder aufgefüllt werden, indem man den Kampf einfach kurz pausiert und ein Heil-Item konsumiert. Weitere Hilfsmittel schützen zeitweise vor Verletzungen, geben unendlich Tinte, erhöhen Angriffs- und Abwehrkraft oder steigern Ammys Göttlichkeit. Letzteres liefert Euch einen gewissen Schutz vor feindlichen Angriffen, ähnlich einem Schutzschild, und kann durch geschickt eingesetzte Angriffskombinationen gewonnen werden.

Ein Symbol am Bildschirmrand zeigt an, auf welcher von vier möglichen Stufen die Göttlichkeit gerade steht. Flieht man aus einem Kampf, stirbt man oder wird verletzt, schwindet der Schutz. Um gegnerischen Attacken auszuweichen, gibt es genauso viele Möglichkeiten wie die Feinde zu besiegen. Entweder bedient man sich verschiedener Pinseltechniken, weicht gekonnt mittels R2-Taste aus oder pariert die Schläge mit einem Reflector als Zweitwaffe eingesetzt.

Obwohl das Kampfsystem zu Beginn des Spiels noch extrem flach und anspruchslos rüberkommen mag, wird man schon bald eines Besseren belehrt und erlebt – je weiter man im Spiel vorankommt und je mehr verschiedene Monster man trifft – einen komplexen Mischmasch aus geforderter Angriffskraft, Agilität, Malkunst und Kreativität bzw. logischem Denken.

Hat man einen Gegner schließlich doch besiegt, besteht immer für den kurzen Moment seines Ablebens die Möglichkeit, ein paar Demon Fangs herauszuschlagen. Der scheidende Dämon verbleibt noch für einen Augenblick auf dem Kampffeld, in dieser Zeit kann der Spieler zum Pinsel greifen und einen sogenannten „Flora Finisher“ ausführen. Das kann beispielsweise ein simpler Power Slash sein, durch den das Monster endgültig exorziert wird.

Hat man die richtige Technik angewandt, spuckt der exorzierte Dämon einen oder mehrere Demon Fangs aus, die bei speziellen Händlern für nützliche Items oder heilige Artefakte eingetauscht werden können. Letztere sind sehr nützliche Hilfs-Accessoires, von denen man maximal drei gleichzeitig ausrüsten kann. Diese Artefakte schützen Ammy beispielsweise vor Feuer, lassen sie übers Wasser laufen, halten dämonische Schriftrollen von ihr fern oder beschleunigen die Regenerierungszeit für Tinte.

Je nachdem, wie lange Ihr für einen Kampf gebraucht habt und wie viel Schaden Ihr einstecken musstet, gibt es am Ende eines jeden Kampfes eine kurze Bewertung in Form von Baum-Grafiken. War Eure Leistung eher schwach und verbesserungswürdig, seht Ihr nur ein paar trockene Samen oder kleine Knospen, und umso kleiner fällt dann auch Euer Bonus aus. Habt Ihr hingegen super gekämpft und alles richtig gemacht, seht Ihr einen voll erblühten, rosafarbenen Kirschbaum, was etwa einem S-Ranking gleicht.

Abhängig von diesen Bewertungen fallen die Yen-Beträge aus, die Ihr unmittelbar nach dem Kampf ausgezahlt bekommt. Je besser Ihr gekämpft habt, umso mehr Geld fließt in die Portokasse. Mit dem Geld können dann verschiedene Hilfsmittel, Schlüsselitems oder gar neue Waffen finanziert werden. Oder Ihr investiert die Kohle in neue Techniken beim nächsten Dojo-Besuch. Wer am Kämpfen überhaupt keine Freude hat, kann sich sein Taschengeld ebenso gut durch das Angeln kostbarer Fische verdienen, oder er geht auf Schatzsuche und verkauft alle Reliquien, die er findet.


Sound

Die Soundkulisse von Ōkami ist sehr umfassend und flexibel, nahezu jede Aktion auf dem Bild wird von einem passenden Geräusch untermalt. So hört man eine Vielzahl verschiedener Slash-Geräusche im Kampf- und Mal-Modus, variierend von einem hauchzarten „fuh“ bis zum intensiven „whoosh“. Die Geräusche, die Ammy von sich gibt, fallen allesamt sehr realistisch aus und wirken fast wie echt, egal ob sie nun knurrt, kläfft, bellt oder einen Siegesschrei ausstößt, das gesamte Emotionsspektrum eines Wolfes wurde vollkommen glaubwürdig in Szene gesetzt. Gleiches gilt für die menschlichen Charaktere, die zu jeder Gefühlsäußerung ein bestimmtes Geräusch von sich geben, wie etwa das Pfeifen eines dampfenden Kessels bei Verärgerung.

Besonders erwähnenswert sind mal wieder die kleinen, aber liebevollen Details, die so perfekt ins Spiel einfließen, dass sie einem zunächst gar nicht wirklich auffallen. Da wären das Plätschern eines Wasserfalls, das Pfeifen des Windes, zirpende Insekten in der Nacht, dezentes Vogelgezwitscher, Fußabdrücke im Schnee, knisternde Feuerstellen, einfach alles um einen herum kann schon wahrgenommen werden, bevor man es überhaupt erblickt, weil die gesamte Umgebung längst im Ohr verankert ist.

Was viele Spieler vielleicht als störend empfinden, ist die etwas gewöhnungsbedürftige Sprachausgabe in Form von unverständlichem Gebrabbel, das aus verschiedenen Sprachsamples in unterschiedlichen Höhen und Tiefen zusammengesetzt ist. Es hört sich so an, als würden die Charaktere tatsächlich sprechen, wenn auch mit der Hand vor dem Mund. Der Grund, warum das bei vielen Spielern so negativ ankommt, ist wohl das etwas langatmige Intro, das sich beim ersten Spieldurchlauf nicht überspringen lässt und den Spieler für mehrere Minuten an die sonderbare Stimme des Erzählers fesselt, die gleich danach zu allem Überfluss durch das penetrante Gequieke von Issun und das etwas mannhafte Lallen Sakuyas abgelöst wird.

Dennoch klingt das insgesamt nicht allzu übel und man gewöhnt sich schnell an diese sonderbare Form der Sprachausgabe, zumal viele Charaktere auch recht lustig anzuhören sind wie beispielsweise Susano, dessen Stimme zwar sehr tief und männlich klingt, aber nach außen hin auch eine gewisse Schwäche und Feigheit ausstrahlt. Überhaupt besitzt fast jede Figur im Spiel einen charakteristischen Unterton, so auch der kleine Issun, dessen Stimme zwar überwiegend sehr kindlich, aufdringlich und ungeduldig, jedoch manchmal auch ein bisschen weise rüberkommt – ja, ernsthaft.

Gleichzeitig muss man sich keine Gedanken über eine eventuell verhunzte Sprachausgabe mehr machen, an der es womöglich noch mehr zu meckern gegeben hätte als an dem kryptischen Gebrabbel, das in der finalen Fassung zu hören ist. Mal ehrlich, wer könnte sich ein Ōkami mit englischen Stimmen vorstellen, wo doch alles andere in diesem Spiel so verdammt japanisch ist? Englische Stimmen passen da gar nicht rein, also doch lieber echtes Japanisch nehmen oder eine Fantasiesprache wählen und den gesparten Speicherplatz für wichtigere Dinge nutzen. Clover Studio hat definitiv eine akzeptable, wenn auch leicht sonderbare Lösung gewählt, die das Spiel aber andererseits auch nur wieder origineller macht. Und wer es trotzdem als störend empfindet, kann die meisten Dialoge ja per Quadrat- oder X-Taste verkürzen.


Musik

Das Spiel überzeugt durchgehend mit wunderschönen Kompositionen, die einen starken japanischen Charakter ausstrahlen, was nicht zuletzt auf den Einsatz typischer orientalischer Instrumente wie dem dreisaitigen Shamisen (Zupfinstrument), der Koto (Wölbbrettzither) oder der Taiko (Schlaginstrument) zurückzuführen ist. Eine kleine Ausnahme bildet da lediglich das von Ayaka Hirahara gesungene Endtheme „Reset“ – ein eher moderner, aber traumhaft schöner J-Pop-Ableger, den man sich stundenlang in der Endlosschleife anhören kann, ohne verrückt zu werden.

Der Soundtrack umfasst ganze fünf CDs, ist aber leider nur auf dem japanischen Markt erhältlich. Für die Komposition verantwortlich zeichnen Masami Ueda, Hiroshi Yamaguchi, Rei Kondo (T’s Music) und Akari Groves. Der musikalische Inhalt ist sehr variabel und reicht von besinnlich-ruhig bis stürmisch-fesselnd, ist aber insgesamt sehr angenehm zu hören, wenngleich sich nicht unbedingt jede Melodie gleich ins Gedächtnis einbrennt.

Manche Stücke tauchen in verschiedenen Variationen auf, beispielsweise in Abhängigkeit von der Tageszeit, zu der man einen Ort besucht. Es gibt nichts zu meckern, die Stücke passen stets perfekt zur Aktion auf dem Bildschirm und erzeugen beim Spieler immer eine ganze spezielle Stimmung. Gerät man in einen Kampf, ertönt ein sofortiger Umschwung zu dramatischer, dunkler und von energischen Trommelschlägen und Kriegsrufen geschmückten Kampfmusik, die sehr impulsiv auf den Hörer wirkt. Nach dem Kampf folgt wieder ein nahtloser Übergang zur stimmungsvollen, lebhaften Erkundungsmusik, die man zuvor entspannt gehört hat.

Interessant ist aber vor allem, dass die Entwickler es jedes Mal schaffen, einer vermeintlich ersten Situation allein durch den Einsatz gezielt gewählter, lustiger Musik jeden Schrecken zu nehmen und meistens sogar noch eine gewisse Komik einzuhauchen. Wirklich tragische Momente gibt es so gut wie nie, weil fast immer irgendwo ein Witz eingebaut und musikalisch untermauert wird, z. B. weil Ammy gerade eingeschlafen ist, während jemand mit ihr redet oder weil irgendein Gott auf die Nase fällt, während er sich den Helden vorstellt. So entsteht eine perfekte Harmonie zwischen der Komik, die man gerade auf dem Bildschirm sieht, und der lustigen Musik, die dazu im Hintergrund läuft – aber das Spiel kann, wenn es will, auch für kurze Momente sehr ernst sein.

Es gibt neben dem offiziellen Soundtrack noch eine Piano-Kollektion, die von Suleputer unter dem Namen „Ōkami Piano Arrange“ veröffentlicht wurde. Amerikanische und Europäische Spieler werden sich aber sowieso jedes Stück einzeln in einer Jukebox anhören können, die nach einmaligem Beenden des Spiels freigeschaltet wird.


Extras

Wo wir gerade von freischaltbaren Boni sprechen, sollen die anderen Extras, die nach Spielabschluss zugänglich sind, nicht unerwähnt bleiben. Man erhält Einblick auf über 200 hochauflösende Seiten voller Artwork und Concept Arts, von Charakteren, Monstern, Orten, Gegenständen und vielem mehr.

Zudem wird, wie schon erwähnt, der komplette Soundtrack freigeschaltet, darunter selbstverständlich auch das Endtheme „Reset“ sowie alle möglich Soundeffekte. Bei mehr als 31 Stunden Spielzeit (die schnell erreicht sind), gibt es als Sahnehäubchen oben drauf noch zehn exklusive Videos, überwiegend Teaser, Trailer und Promos aus Magazinen wie Famitsu und Dengeki oder von Veranstaltungen wie der Tokyo Game Show oder der E3. In diesen Aufnahmen ist Ōkami teilweise noch in sehr frühen Entwicklungsstadien zu sehen.

Wer von dem Spiel nicht genug bekommen hat, kann ein „New Game+“ starten und das Spiel von vorne beginnen, darf aber den Großteil seiner Errungenschaften aus dem ersten Durchgang behalten. Die Pinseltechniken müssen aber alle aufs Neue erlernt werden. Verständlich, da die Geschichte sonst keinen großen Sinn mehr machen würde.

Und je nachdem, mit welcher Wertung man sein erstes Spiel abgeschlossen hat, gibt es noch diverse „Kamic Transformer“ zu gewinnen. Das sind spezielle Items, die Ammys Äußeres verändern können, beispielsweise in eine andere Hundegattung. Hat man es sogar geschafft, alle 100 „Stray Beads“ zu finden, kann das neue Spiel im Unverwundbarkeits-Modus bestritten werden, was angesichts des lachhaften Schwierigkeitsgrades aber beinahe schon eine Farce ist.


Fazit

Was gibt es noch großartig zu sagen? Holt Euch Ōkami, bevor es nur noch als Sammlerstück zu horrenden Preisen auf eBay vertickt wird! Das Spiel ist ein innovativer, origineller und einzigartiger Mix aus Rollenspiel, Action-Adventure und Platformer, mit einem noch nie dagewesenen Konzept. Wer seine Freude an Shadow of Colossus, Ico und diversen Zelda-Teilen hat, der wird auch Ōkami mögen, definitiv.

Trotz seiner comic-ähnlichen, aber ungemein schönen und farbfrohen Cel-Shading-Grafik, ist es ein Pflichttitel für jedermann, von klein bis groß, und erst recht für alle Freunde fernöstlicher Kulturen, Mythen und Legenden. Insbesondere Japan-Fans werden an diesem Spiel definitiv ihre Freude haben!

Das Gameplay besticht durch liebenswerte, sympathische Charaktere, eine interessante Story, unzählige Sidequests und eine beinahe schon grenzenlose Bewegungsfreiheit, was dieses Spiel zu einem hochwertigen Epos macht. Es ist ein ungeheurer Spaß, als göttlicher Wolf durch Nippon zu reisen, allerhand Dörfer, Städte, Höhlen und Landschaften zu besuchen, immer auf der Suche nach neuen Fähigkeiten und mit dem Bestreben, die Welt vom Dunkeln zu befreien.

Spielerisches Highlight von Ōkami ist ja sowieso das neuartige Feature, die natürliche Umgebung jederzeit einfrieren und nach Belieben mit dem Pinsel manipulieren zu können. Wer sich intensiv mit dem Spiel und dessen unzähligen Mini-Aufgaben auseinandersetzt, kommt locker auf eine Spielzeit von 40 bis 60 Stunden und schaltet nebenbei vielleicht noch das eine oder andere interessante Extra für ein „New Game+“ frei.

Gelegentliche Slow-Downs, häufige Ladephasen, eine sonderbare Sprachausgabe, minimale Kameraschwächen sowie ein viel zu großzügig ausgefallener Schwierigkeitsgrad rauben diesem Meisterwerk leider die letzten paar Pünktchen zur Bestwertung. Dennoch ist Ōkami ein vollendetes Meisterwerk und gehört definitiv in die Sammlung eines jeden PS2-Besitzers.

Seit 2008 ist Ōkami auch für Wii erhältlich, leider jedoch mit einer eher gewöhnungsbedürftiger Steuerung (Gamepads werden nicht unterstützt) und ohne die schönen End-Credits. Im Jahr 2010 erschien mit „Ōkamiden“ sogar ein direktes Sequel für den Nintendo DS, das von der Fachpresse ähnlich mit Lob überhäuft wurde wie der „großer Bruder“.