„If we make it… but… somehow get separated… Let’s return to this spot.“
Betrachtet man die Entwicklungsgeschichte der Rollenspiele, stößt man immer wieder auf Titel, die zu ihrem Erscheinungsdatum kaum beachtet oder wegen simpler Grafik- und Sound-Unzulänglichkeiten zu stark kritisiert wurden.
Erschienen kurz nach Final Fantasy VII und im Schatten desselben, hatte Suikoden II einen schweren Start über Jahre hinweg durch negative Reviews, die sich an kleinen Schwächen aufhingen, die kaum eine Auswirkung auf den Reiz des Spiels an sich hatten.
Aber heute – rückblickend auf diese Klassiker – können wir festhalten, dass sie in Sachen Grafik, Sound und insbesondere ihrem Detailreichtum keineswegs schlecht waren und durchaus ihrer Zeit und dem 32-bit-Standard entsprachen.
Bei Suikoden II hatte dieser schlechte Start die Folge, dass das Spiel nicht in ausreichender Menge produziert wurde und später, nachdem die Fans endlich den Reiz dieses Spiels entdeckt hatten, zu einem der teuersten Second-Hand-Titel der Ost-RPGs wurde.
Story
Fast vier Jahre nach Erscheinen des ersten Teils, kam 1998 das von vielen erwartete Suikoden II heraus. In dieser Episode der Serie schlüpft man in die Rolle eines namenlosen Helden, der Mitglied einer sagenhaften Allianz ist, die im Vorgänger nur selten erwähnt wurde. Nach dem Verlust seiner Eltern wurde der eher ruhige Protagonist von einem ehemaligen Kriegshelden aufgenommen und großgezogen.
Während der Waisenjunge aufwächst, trifft er in seinem Dorf einen anderen besonderen Jungen namens Jowy, der in einem ständigen Kampf mit sich liegt, um die Anerkennung und Liebe seines sturen, strengen Vaters zu erlangen. Als Teenager treten die Jungs einem Jugend-Bataillon bei, was sie in einen Krieg verwickelt, dessen hohe politische Unsinnigkeit die Welt bedroht, in der sie leben.
Ein Betrug passiert. Der Held und sein Freund werden unfreiwillig Zeuge der intriganten Machenschaften und werden fortan vom eigenen Staat gejagt. Werden sie in der Lage sein, sich ihrer Verfolgung zu entziehen und werden sie jemals den Verdacht von sich abwenden können? Wird der Held die Widrigkeiten bekämpfen können und genügend Freunde finden, die ihn auf seinem Weg unterstützen?
Grafik
Wird man zu Beginn des Abenteuers noch von einer großartig inszenierten Introsequenz verwöhnt, präsentiert sich die eigentliche Spielgrafik fast vollständig in 2D, von den Duellen und ein paar Ingame-FMVs abgesehen. Während die Charaktere im Spiel als gepixelte 2D-Bilder mit durchschnittlicher Qualität dargestellt werden, können zumindest die vorgerenderten Hintergründe überzeugen.
Nicht gerade sehr aufsehenerregend, aber für seine Zeit war es nahezu perfekt. Eine reiche Farbpalette ermöglichte Suikoden II, sich grafisch deutlich von anderen 2D-Spielen abzuheben – ähnlich Castlevania, welches hauptsächlich auf Rottönen basierte, mit ein paar helleren Farben als Gegenpol.
Die Farben fügen sich recht gut in die Spielhandlung ein, geben den Charakteren ein gut animiertes und einheitliches Leben und auch die Gebäude und Städte profitieren von einigen verschiedenen Farbklecksern. Hintergründe und Kulissen sind detailverliebt und in vielen farblichen Nuancen dargestellt.
Scheinbar hat Konami mehr Zeit und Wert auf die Darstellung der Hintergründe gelegt als auf die der agierenden Charaktere. Das Rendering ist um einiges besser geraten als in anderen Spielen dieser Zeit, die ebenfalls vorgerenderte Effekte verwenden, wie etwa Resident Evil.
Das Charakterdesign von Suikoden II ist genial, sofern man nur von den Artworks ausgeht. Hier zeigt sich reife Leistung und große Vielfalt. Die 2D-Grafiken der Charaktere im Spiel hingegen sind keineswegs genial. Die Figuren sind von der farblichen Qualität her gut gelungen, jedoch hinterlassen die Posen und Animationen im Allgemeinen einen sehr generischen Eindruck.
Die meisten Charaktere unterscheiden sich auf der Oberwelt nur in körperlichen Details wie der Frisur und dem Design der Kleidung, während Sachen wie Körperhaltung und Bewegung fast überall identisch wirken.
An sich ist das nicht ungewöhnlich für 2D-Spiele, da jedoch jene Animationen und Posen auch noch ziemlich steif aussehen, schwächt dies doch ziemlich den grafischen Gesamteindruck. Das Spiel selbst gleicht dies jedoch dadurch aus, dass für solche Situationen entsprechende Emotionsblasen sichtbar werden, die die jeweilige Situation unterstützen.
Sound
Soundtechnisch gesehen passt sich das Spiel seinem Vorgänger an. Es hat die grundlegenden Komponenten eines älteren RPG-Stils: MIDI-Format und den üblichen Piepton bei Aktivitäten im Menü. Erst spät im Spiel gibt es die Möglichkeit, die Soundkulisse zu modifizieren.
Was auch typisch für Suikoden ist, ist das legere Gezirpe von Vögeln oder Grillen in der Nacht, oder ab und an ein Grunzen des Schmerzes von einem gefallenen Kameraden oder Monster.
Die MIDIs sind wirklich nicht schlecht, aber sie sind auch nicht die besten, die ich je gehört habe. Es gibt Highlights und auch nervende Musik. Dennoch ist der Soundtrack meist geeignet, den Hörer in die Spielhandlung passend einzubeziehen und die Emotionen zu unterstützen. Besonders einige romantische Szenen sind musikalisch sehr passend untermalt.
Kampfsystem
Die Kämpfe verlaufen ähnlich wie beim Vorgänger Suikoden, aber hinzu kommen ein paar Neuerungen und Veränderungen, die dem Kampf mehr Lebendigkeit verleihen.
Gekämpft wird wieder rundenbasiert mit einer Gruppe aus sechs Charakteren. Das erste Kampfmenü erlaubt die Befehle „Kampf“, „Loslassen“ (oder „Entkommen“), „Bestechung“ und „Auto“. Neu ist dabei die Bestechung: Der Geldbetrag wird automatisch festgelegt, und führt dazu, dass die Gegner die Flucht ergreifen und der Kampf ohne EXP beendet wird.
Die zweite Runde der Kampfbefehle entspricht den meisten in anderen Rollenspielen: Das sind „Angriff“, „Verteidigung“, „Rune“, „Gegenstand“, „Vereinigung“ und „Wechsel“. Die vier letztgenannten sind Suikoden-typisch. Runen beinhalten weitgehend magische Angriffe, auch einige Spezialangriffe. Magische Runen können kombiniert werden in ihrer höchsten Stufe, was sehr mächtige und vernichtende Zauber ergibt.
Gegenstände müssen ausgerüstet sein, um sie nutzen zu können. Sie dienen der Heilung oder dem Schutz der Gruppe, oder auch als Angriffsmagien. Vereinigung steht für eine Kombo-Attacke von zwei bis fünf Partymitgliedern, die meist sehr starke Angriffe sind. Diese Kombo-Attacken sind nur unter bestimmten Gruppenmitgliedern möglich, die eine besondere Beziehung zueinander haben wie Verwandtschaft, Freundschaft oder Ähnliches. Runen-Kombos erfordern nur die höchsterreichbare Magie-Stufe und keine besonderen Beziehungen zwischen den Charakteren.
Mit „Wechsel“ kann die Position eines Charakters in der vorderen Reihe mit dem in der hinteren Reihe vertauscht werden. Neu ist gegenüber Suikoden, dass die Charaktere manchmal öfter angreifen ohne eine besondere Rune dafür zu tragen und einen Befehl dazu erhalten zu haben.
Auch gibt es wieder die strategischen Kriegsschlachten, die von Zeit zu Zeit die Spielhandlung fortführen. Nachdem man sich mit den Bedingungen für einen Sieg vertraut gemacht hat, können diese mit etwas Geschick bewältigt werden. Im Gegensatz zum Vorgänger werden Truppen auf einem schachbrettartigen Kampffeld bewegt, deren Zusammensetzung im Schloss jederzeit verändert werden kann. Das Schere-Stein-Papier-Prinzip gilt weiterhin bei den Duellen, die wie beim Vorgänger in isometrischer Pseudo-3D-Grafik mit eingebetteten 2D-Sprites ablaufen.
Sonstiges
Die Übersetzung ist noch als Schwachpunkt hervorzuheben. Egal ob in Englisch oder Deutsch, man hätte sich mehr Mühe geben können. Die Dialoge fallen recht simpel aus und es strotzt vor Fehlern, ähnlich wie in Final Fantasy VII. Dennoch kann dies der spannenden Handlung und Story nicht sonderlich schaden.
Es gibt kaum Spiele, die einen so hineinreißen und mitleiden lassen wie Suikoden II. Die lineare Handlung wird durch über 70 Miniquests angereichert und es gibt neben der Story sehr viel mehr zu tun als nur das serientypische Ansammeln und Einquartieren der 108 Stars of Destiny.
Suikoden II hat einen starken Bezug zum ersten Teil der Serie und bietet weitaus mehr Spielspaß durch eine sehr ergreifende Story und sympathische Charaktere, die man teilweise schon aus Teil 1 kennt. Durch die zahlreichen Minispiele kann die Spielhandlung jederzeit pausiert werden, und es gibt reichlich Geheimnisse zu entlüften.
Als zusätzliches „Bonbon“ kann man durch Importieren des Spielstandes von Suikoden I (diese Option wird zu Beginn des Spieles gegeben, vorausgesetzt der alte Spielstand ist regionsbedingt kompatibel) den Helden des ersten Teils, McDohl, als optionalen Charakter gewinnen, der einer der besten Kämpfer im Spiel ist und – zusammen mit dem neuen Helden – eine tolle Kombo-Attacke besitzt. Nur für die großen Strategiekämpfe steht er nicht zur Verfügung.
Fazit
Suikoden II besticht durch eine selten mitreißende Story um Macht, Freundschaft, Verrat und natürlich um die „True Runes“, die immer den Mittelpunkt der Suikoden-Reihe bilden. Es bietet jede Menge Spielspaß für Wochen und Monate, will man die vielen Sidequests absolvieren und sich der Entwicklung der ca. 70 aktiven Charaktere widmen.
Das Spiel hat einen besonderen Charme und ist trotz der oben erwähnten Schwächen wohl deshalb zum Lieblingsteil der meisten Suikoden-Fans geworden, was es ohne Übertreibung zu einem der besten Rollenspiele aller Zeiten und einem absoluten Klassiker seines Genres macht.
Dementsprechend schwierig bzw. kostspielig ist es heutzutage leider geworden, noch an ein physisches Original-Exemplar des Spiels zu gelangen. Dafür ist Suikoden II aber seit Ende 2014 (neben anderen Teilen der Serie) als digitaler Download im PlayStation Store erhältlich.